Hallo EU - hörst du mich?

Rechte & Demokratie

Es ist ein bekanntes Vorurteil, dass das EU-Parlament nicht jedem gleichviel Gehör schenkt. Für Lobbyisten großer Firmen ist es leichter, Gesetze zu verändern als für kleinere Unternehmen oder Verbraucher. Das schlimmste an diesem Vorurteil ist, das es meist stimmt.

Wie Lobbyismus im EU-Parlament funktioniert? Ganz einfach: Lobbyisten überreden gewählte Abgeordnete, nach ihren Wünschen abzustimmen. Oder sie machen ihnen gleich selbst Vorschläge, wie sie die Gesetze haben wollen. Ob es darum geht, wer die Kosten für die Krise trägt, welche Angaben auf Lebensmittelverpackungen gedruckt werden, oder welche Umweltnormen bei der Schiefergasförderung beachtet werden müssen - ohne Lobbydruck wären diese Abstimmungen ganz anders ausgegangen.

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Journalisten der britischen Zeitung The Sunday Times machten 2011 die Probe aufs Exempel. Sie gaben sich als Lobbyisten aus und boten Abgeordneten unverfroren Geld an, wenn sie im Gegenzug ihre Änderungsvorträge einbrächten.

Drei bissen an: Der Österreicher Ernst Strasser (EVP) erhielt eine Gefängnisstrafe (ohne sie absitzen zu müssen), der Slowene Zoran Thaler (S&D) trat zurück, und der Rumäne Adrian Severin (S&D) wurde aus seiner Fraktion geworfen.

Als Reaktion beschloss das Parlament einen Verhaltenskodex für Abgeordnete*, der zu den strengsten der Welt gehört. Nun geht es darum, wie genau er umgesetzt wird - und wie sehr Bürger ihren Abgeordneten auf die Finger schauen wollen.

 

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Und was ist mit den Lobbyisten selbst? Geschätzt 20 000 von ihnen arbeiten in Brüssel. Die Europäische Kommission und das Europäische Parlament führen ein Register, in das sich Lobbyisten eintragen dürfen, wenn sie möchten. Viele große Firmen wie Adidas, Porsche, oder der Bergbauriese Rio Tinto haben davon bislang abgesehen. Aber die Brüsseler Lobby ist in Wirklichkeit noch viel undurchsichtiger, weil viele Firmen Anwaltskanzleien damit beauftragen, Lobbyismus zu betreiben, anstatt selbst in Erscheinung zu treten.

Das Europäische Parlament hat 2014 über eine Verschärfung der Regeln für Lobbyisten abgestimmt, aber leider ohne den Eintrag ins Lobbyregister verpflichtend zu machen.

 

 

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Aber werden die Bürger überhaupt gehört? Klar - eine Möglichkeit sind Petitionen an das EU-Parlament. Das Parlament hat in den vergangenen Jahren Petitionen zu Umweltverschmutzung in Spanien und  Italien diskutiert, aber auch in Streitigkeiten um Immobilienrecht in Spanien vermittelt. In den meisten Fällen zeigten sich die Länder aber uneinsichtig.

Bei den Verhandlungen um die aktuellen Europäischen Verträge hatten die Grünen ein mächtigeres Instrument durchgesetzt: die Europäische Bürgerinitiative. Schon die zweite zulässige Initiative war ein voller Erfolg. Sie forderte, dass die Liberalisierung der Wasserversorgung verboten wird. Sobald genügend Unterschriften gesammelt waren, knickten die Liberalisierer in Parlament und Kommission ein. Bis auf weiteres bleibt Wasserversorgung von der EU-Liberalisierung ausgenommen.